Das Paul Schwebes Archiv(PSA) ist eine außeruniversitäre Gründung, die auf der Grundlage eines Teilnachlasses des Sohnes des in Berlin arbeitenden Architekten Paul Schwebes (1902-1978) basiert. Paul Schwebes, der einige für die Stadtidentität Westberlins prägende, architektonisch bedeutende Bauten zwischen 1946 und 1972 entworfen und realisiert hat, erhielt seine Ausbildung und beruflichen Vorprägungen in Wien, Darmstadt und Berlin. Später, zunächst in verschiedenen Büros tätig, betrieb er seit Beginn der 1930er Jahre ein eigenes Architekturatelier, das er nach Kriegsende in Berlin weiterführte. Nach einer schweren Krankheit ging er ab 1955/56 eine Zusammenarbeit mit Hans Schoszberger (1907-1997) ein, mit dem er im Westteil der ehemaligen Reichshauptstadt eines der meist beschäftigten Büros aufbaute.

Viele der Planungen, Projekte und Gebäude, die Schwebes allein oder in Zusammenarbeit mit Kollegen, später mit Hans Schoszberger, realisieren konnte, bilden heute Landmarks im Stadtkörper der aus der Ruinenlandschaft wiedererstandenen heutigen Bundeshauptstadt. Damit repräsentieren diese Nachkriegsbauten zugleich die politische Latenz der „Frontstand Berlin“ in nuce. Zu diesen Gebäuden gehören u.a. bedeutende Hotelbauten wie das ehemalige „Hotel Kempinski“, das „Hotel Berlin“ oder das „Hilton-Hotel“ (als Vertragsarchitekten), dann Kauf- und Geschäftshäuser wie die „Zentrum am Zoo“-Bebauung, das „Kaufhaus Held“ in Steglitz, „Haus Königstadt“ am Kurfürstendamm oder das „Defaka“ am Breitscheidplatz. Mit dem Namen des Büros sind zudem einige dominante Verwaltungs- und Vereinsbauten wie das einstige „Telefunken-Haus“, das „Haus Hardenberg“ oder das von Schwebes entworfene Clubhaus für den „Verein Berliner Kaufleute und Industrieller e.V.“ verbunden.

Hinter diesen Symbolbauten der Westberliner Aufbauplanungen sind wesentliche Großprojekte im Wohnbau oder Arbeiten für andere Städte der Bundesrepublik Deutschland (BRD), wie Frankfurt a.M., Hamburg, Kiel oder auch Kassel aus dem Blickfeld geraten. So haben Schwebes/Schoszberger die ersten „Shopping Towns/Einkaufszentren“ der BRD in Frankfurt-Höchst und in Hamburg-Osdorf entwickeln und bauen können und damit zugleich wesentliche Impulse der US-amerikanischen Stadtentwicklung realisiert. Ebenso wie diese Konzepte der 1950er und 1960er Jahre sind die meisten Bauten und Projekte des Paul Schwebes aus der Vorkriegszeit vergessen worden und Schoszbergers Arbeiten unbekannt geblieben. Dazu gehören Umbauprojekte und Großplanungen im Rahmen der Umbaumaßnahmen Berlins unter Albert Speer ebenso wie wissenschaftliche Untersuchungen zum städtischen Schutzraumbau um 1930 und deren Weiterführungen im Zuge der Ost-West-Konfrontationen im Nachkriegseuropa.
Diese Dunkelzonen konnten durch die archivarische Sichtung und wissenschaftliche Bearbeitung des umfangreichen Teilnachlasses von Paul Schwebes im Archiv PSA inzwischen aufgehellt werden, das somit eine wesentliche Ergänzung zum aufgearbeiteten zeichnerisch/fotografischen Teilnachlass des Architekten Paul Schwebes darstellt, der sich im Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin befindet.

Das PSA-Archiv (Nachlassverzeichnung Helga Linnemann)ist ein Bestandteil des in Berlin angesiedelten Institut für Geschichte und Theorie der Stadt (IFGTS), das von Prof. em. Dr. phil. Karin Wilhelm MA und Johann Sauer geleitet wird und in gewisser Weise die Sammlungstätigkeit der Nachkriegsarchitektur weiterführt, wie sie durch Karin Wilhelm in der Sammlung Architektur und Ingenieurbau (saib) der TU Braunschweig seit 2007 initiiert worden ist. Derzeit werden im IFGTS die architekturhistorischen und kulturwissenschaftlichen Forschungen zum Nachlass Schwebes/Schoszberger in Zusammenarbeit mit Dipl. Ing. Nicole Opel weitergeführt. Eine umfassende Publikation des Ouevres Schwebes/Schoszberger ist in Vorbereitung. Diese Arbeiten werden im Forschungsverbund mit Prof. Annett Zinsmeister an der Frankfurt University of Applied Siences durchgeführt.

Biografien der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Helga Linnemann, studierte Erziehungswissenschaften an der FU Berlin, danach selbständige Buchhändlerin; Archivarbeiten in den Architektursammlungen der Akademie der Künste, Berlin, der Berlinischen Galerie und Mitaufbau der Architektursammlung an der TU Braunschweig (ab 2007), Nachlassverzeichnung des Paul Schwebes Archivs (PSA), Berlin.

Nicole Opel, Dipl. Ing., studierte Architektur in Weimar und Venedig; bis 2013 Redakteurin der Zeitschrift ARCH+ und seither freiberuflich für Publikationen und Ausstellungen in der wissenschaftlichen Recherche, Ausarbeitung und Redaktion tätig, zuletzt als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin im Kernteam der Jubiläumsausstellung „original bauhaus“.

Johann Sauer, geboren 1948, Studium der Germanistik (Neue Deutsche Literatur) und Kunstgeschichte in Heidelberg und an der FU Berlin, Dramaturg und Produktionsdramaturg an deutschen Schauspielhäusern, sowie in der Schweiz. Bearbeitungen und Übersetzungen u.a.: Shakespeare, O`Neill, Gogol, Lope de Vega. Mehrfach Einladung dieser Produktionen zum Berliner Theatertreffen. Publikationen zur Theatergeschichte in Verbindung zu Architektur und Kunstgeschichte. Lebt in Berlin und Bremen.

Karin Wilhelm studierte Kunstgeschichte, Soziologie und Philosophie in Heidelberg, München, Berlin und Marburg a.d.L.(Dr.phil,Mag Art). Lehrtätigkeiten und Gastprofessuren in Berlin, Bonn, Kassel, u.a. Forschungsaufenthalte u.a. USA. Ab 1991 erste Ordinaria an der TU Graz (Fakultät f. Architektur/Leitung des Instituts für Kunst-und Kulturgeschichte). Vorstandsmitglied im `Haus der Architektur´ Graz. 2001 Berufung für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt an die TU Braunschweig. Zwischen 1994 und 1999 Mitgliedschaft im Wissenschaftlicher Beirat der Stiftung Bauhaus Dessau. 2011 Ernennung zum Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft.

Annett Zinsmeister studierte Kunst, Architektur, Kultur – und Medienwissenschaften, Diplom an der UdK Berlin.
Seit 2002 Ausstellungen in Museen u.a. im MoMA New York (2015) und internationale Biennalen z.B. in Istanbul/Türkei (Biennale in Istanbul, 2016) und in Orléans (2017-18).Seit 2003 Tätigkeit als Professorin für Theorie, Gestaltung, experimentelles Entwerfen u.a. an der Kunsthochschule Berlin Weissensee, Bergische Universität Wuppertal, Staatliche Akademie der Bildenden Künste (Stuttgart), Frankfurt University for Applied Sciences, 2009-13 Direktorin des interdisziplinären Forschungsinstitutes Weissenhof Institut in Stuttgart.

Berlin, Dezember 2020
Karin Wilhelm